"Recht hören" widmet sich in dieser Episode dem Spannungsfeld Zivilrecht–Öffentliches Recht. Zu Gast bei Thomas Rabl und Markus Schrom ist diesmal Stefan Perner, der nicht nur vielbeschäftigter Universitätsprofessor für Zivilrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, sondern auch das jüngste Mitglied des Verfassungsgerichtshofs ist. Die diesmaligen Themen reichen vom Eingewöhnen eines Zivilrechtlers am VfGH über den Umgang mit den unterschiedlichen Methoden, Verfassungsrecht vor dem OGH, den Legalitätsgrundsatz im Zivilrecht bis hin zu unterschiedlichen Sichtweisen von VfGH und OGH in vergleichbaren Fragen, wie etwa zur Rechtsprechung bei Wertsicherungsklauseln. Hören Sie rein!
"Recht hören" widmet sich in dieser Episode dem Spannungsfeld Zivilrecht–Öffentliches Recht. Zu Gast bei Thomas Rabl und Markus Schrom ist diesmal Stefan Perner, der nicht nur vielbeschäftigter Universitätsprofessor für Zivilrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, sondern auch das jüngste Mitglied des Verfassungsgerichtshofs ist.
Die diesmaligen Themen reichen vom Eingewöhnen eines Zivilrechtlers am VfGH über den Umgang mit den unterschiedlichen Methoden, Verfassungsrecht vor dem OGH, den Legalitätsgrundsatz im Zivilrecht bis hin zu unterschiedlichen Sichtweisen von VfGH und OGH in vergleichbaren Fragen, wie etwa zur Rechtsprechung bei Wertsicherungsklauseln. Hören Sie rein!
00:00:03,240 --> 00:00:08,039 [Intro]
Recht hören. Der ecolexPodcast.
00:00:20,500 --> 00:00:54,500 [Markus Schrom]
Guten Tag liebe Hörerinnen und Hörer. Recht herzlich willkommen zu Recht hören, dem ecolex Podcast. Ich freue mich, dass Sie wieder zugeschalten haben. Und wie immer führt das Gespräch mit mir Chefredakteur der Ecolex, Thomas Rabl. Herzlich willkommen, Thomas. Hallo Markus. Mein Name ist Markus Schrom und ich darf unseren Gast kurz ankündigen. Wie immer haben wir einen Gast und wir freuen uns ganz besonders, Stefan Perner bei uns zu haben. Stefan Perner ist Universitätsprofessor an der WU Wien.
00:00:54,500 --> 00:01:32,240 [Markus Schrom]
Er ist außerdem Chefredakteur der ÖJZ und der VRW Versicherung in Recht und Wirtschaft, einer neuen Zeitschrift. Und das ist auch schon der Grund unseres heutigen Gesprächs. Unter anderem seit 10.6. Mitglied des VfGH. Herzlich willkommen, Stefan. Ich darf dazu sagen, wir führen das Gespräch in einer Du Version, wenn man so will. Das liegt unter anderem daran, dass wir uns schon über die ÖJZ und auch über die VRW schon lange kennen. Und deswegen dürfen wir auch mit honorigen Personen heute hier das kollegiale Du pflegen. Herzlich willkommen, Stefan.
00:01:32,240 --> 00:01:35,420 [Stefan Perner]
Servus Markus und Thomas. Vielen Dank für die Einladung.
00:01:35,420 --> 00:01:37,899 [Markus Schrom]
Ja, Thomas, wir haben schon gesagt,
00:01:37,900 --> 00:01:52,680 [Markus Schrom]
Grund, also Grund, aber durchaus Anlass für den Podcast ist die Bestellung Stefan Perners zum VfGH. Seit 10.6. Ich darf dich gleich einmal bitten. Du hast sicherlich sehr viele brennende Fragen und
00:01:52,680 --> 00:01:55,730 [Markus Schrom]
fang doch bitte gleich einmal an, deine Fragen zu stellen.
00:01:55,730 --> 00:02:43,440 [Thomas Rabl]
Werde ich machen. Danke, Markus. Also auch herzlich willkommen von mir, Stefan. Danke, dass du noch einmal zum ecolex Podcast gefunden hast. Das erste Mal haben wir über das Gewährleistungsrecht gesprochen. Diesmal sprechen wir was ganz was anderes und was tatsächlich ein wenig ein bisschen aus der Rolle fällt. Weil du bist ja, wie alle wissen, nehme ich wohl an, Zivilrechtler. Und jetzt bist du als Zivilrechtler an den VfGH berufen worden. Und genau über das wollen wir halt sprechen. Über ein paar Themen nämlich nicht nur, wie es sich dort fühlt oder anfühlt als Zivilrechtler. Du bist auch einer der wenigen Zivilrechtler. Ich glaube, dein Zivilrechtsvorgänger war der Professor Spielbüchler, der, wie wir vorher auch besprochen haben, ich weiß nicht, über drei Jahrzehnte Mitglied des Verfassungsgerichtshofs war. Also einer der längsten oder wenn nicht der längste überhaupt.
00:02:43,440 --> 00:02:59,460 [Markus Schrom]
Meine Recherchen, meinen Recherchen zufolge. Aber ich habe nicht bis 1919 hier zurück recherchiert. Aber doch von 1976 bis 2009, ist der Homepage des Verfassungsgerichtshof zu entnehmen. Also doch sehr lang also.
00:02:59,460 --> 00:03:00,940 [Thomas Rabl]
Und
00:03:00,940 --> 00:03:21,500 [Thomas Rabl]
auch wenn du auch diesen Rekord möglicherweise nicht brechen wirst. Aber bist du doch, wie du doch, doch so Gott will, eine sehr lange Zeit beim Verfassungsgerichtshof verbringen. Und da wollten das wollten wir einfach zum Anlass nehmen, ein bisschen zu Verhältnis Zivilrecht, öffentliches Recht. Wie fühlt es sich an, als Zivilrechtler beim Verfassungsgerichtshof zu sprechen?
00:03:21,500 --> 00:03:25,420 [Thomas Rabl]
Ja, ich meine, der erste Punkt ist einmal zum Bestellmodus
00:03:25,420 --> 00:03:46,360 [Thomas Rabl]
Wie hast du denn den erlebt? Warum reden wir darüber nicht? Wir reden nicht über Politik, wir reden nicht über Innenpolitik und wie das, wie das abläuft. Aber wir reden deswegen ein wenig drüber, weil wir mitbekommen haben zumindest wahrscheinlich die meisten von uns haben das mitbekommen, dass in Deutschland die Bestellungen auf potenzielle Verfassungsrichterin gescheitert ist. Wie ist denn du das erlebt?
00:03:46,360 --> 00:04:15,480 [Stefan Perner]
Ja, es ist hier wie dort eben ein politischer Entscheidungsprozess. Wie du schon gesagt hast. Und es ist nach unserer Bundesverfassung so, dass der Nationalrat, der Bundesrat und die Bundesregierung eben verantwortlich sind für die Bestellung. Und in meinem Fall war es die Bundesregierung und eine Nachwehe der sogenannten Side Letter Affäre war, dass man im aktuellen Regierungsprogramm die Besetzungsvorschläge transparent gemacht hat. Und da ist es eben dazu gekommen, dass die Neos verantwortlich waren für die
00:04:15,480 --> 00:05:17,740 [Stefan Perner]
Nachfolge meiner Vorgängerin. Und die Geschichte meiner Bestellung reicht eigentlich ein paar Jahre zurück. Ich hatte mich schon vor einigen Jahren einmal beworben mit dem Argument, dass du ja eigentlich schon angesprochen hast, dass der VfGH ja über die gesamte gesetzliche Rechtsordnung entscheidet und vereint. Also viele Expertinnen und Experten aus allen Bereichen sind Steuerrechtler drinnen, das sind Strafrechtler innen drinnen. Das sind natürlich klassische Verwaltungs- und Verfassungsrechtler innen und Rechtler drinnen und seit Spielbüchern kein Zivilrechtler mehr auf Professorenebene. Es gibt natürlich viele Anwältinnen und Anwälte, die professionalisiert im Zivilrecht tätig sind, aber eben auf Professorenebene niemand. Und da habe ich mir gedacht, das wäre damals 2018, als ich mich beworben hatte, gemeinsam mit der damals neuen Gesetzesbeschwerde einen Parte Antrag auf Normenkontrolle. Doch eine Idee, dieses Argument ein bisschen mehr ins Spiel zu bringen. Und die Saat wurde sozusagen 2018 gesät und jetzt wurde geerntet.
00:05:17,740 --> 00:05:55,300 [Thomas Rabl]
Genau. Sehr gut. Aber wie gesagt, diese äh, das Ganze ist ja dann ganz offenbar. Also zumindest hat man medial nichts mitbekommen. Doch bedeutend konsensualer vonstatten gegangen, als das also in Deutschland der Fall war, wo sich die Regierung dann über diese Sache überworfen hat. Aber da sprichst du natürlich etwas ganz Wichtiges an, der Verfassungsgerichtshof hat ja sozusagen über die gesamte Rechtsordnung zu wachen. Und da ist es tatsächlich durch den Parteienantrag auf Normenkontrolle natürlich jetzt gerade im Zivilrecht. Ja, ich möchte nicht sagen, dass da ein gewisses Besetzungsdefizit geherrscht hat. Aber es ist natürlich sicherlich sehr sinnvoll, dass man das Zivilrecht auch entsprechend abbildet.
00:05:55,300 --> 00:05:57,620 [Thomas Rabl]
Jetzt hat man aber das Zivilrecht und öffentliches Recht und ich bin ja schon so alt und kann auch so sagen diese Alt, diese tatsächlich alten Kontroversen zwischen dem Professor Walter und dem Professor, also Franz Bydlinski, die sich da in manchen Seminaren im Juridicum noch tatsächlich gefetzt haben, habe ich noch miterlebt. Wie fühlt es sich als Zivilrechtler denn beim Verfassungsgerichtshof, wo man ja tatsächlich hauptsächlich - du hast es erwähnt, es gibt Anwälte auch - aber hauptsächlich ist ja doch sehr aus dem öffentlichen Recht geprägt?
00:06:27,104 --> 00:06:29,404 [Stefan Perner]
Ja, man geht schon mit einer gewissen Ehrfurcht rein.
00:06:29,404 --> 00:06:29,424 [Thomas Rabl]
Ja.
00:06:29,424 --> 00:06:33,224 [Stefan Perner]
Ich meine, das hängt nicht nur mit der Fachrichtung zusammen, sondern auch mit dem Umstand, dass es eben doch der Verfassungsgerichtshof ist. Aber wie du richtig gesagt hast, es ist einfach ein anderes Fach, aus dem man kommt. Und jemand, der im Verwaltungsrecht und im Verfassungsrecht sozialisiert ist, der hat natürlich den Vorteil, dass er vom Verfahren über den Kontrollmaßstab natürlich die Dinge viel mehr aus dem Effeff beherrschen kann.
00:06:55,724 --> 00:06:58,354 [Stefan Perner]
Das heißt nicht, dass es nicht immer schon auch zivilrechtliche Entscheidungen gegeben hat. Also Entscheidungen, in denen der VfGH über das Zivilrecht befunden hat. Die Ehe für alle ist, wie wir wissen, keine Idee des Gesetzgebers gewesen, sondern letztlich eine Schöpfung, eine Erfindung des VfGH, möchte man fast sagen. Ähm, also jedenfalls eine Entscheidung, wo aus gleichheitsrechtlichen Gründen die Ehe für beide Geschlechter geöffnet hat und die eingetragene Partnerschaft auch. Und daneben gibt es natürlich im Familienrecht viele andere Entscheidungen auch. Gibt aber auch im Mietrecht, im klassischen Wirtschaftsprivatrecht das Kreditmoratorium ist ein Beispiel, viele Entscheidungen. Aber, und das hast du gerade auch angesprochen, durch den Parteiantrag auf Namenkontrolle sind's natürlich mehr geworden. Und ich glaube, das könnte schon auch damit zusammenhängen, zumindest mein Eindruck, dass davor der Weg in zivilrechtlichen Fragestellungen ja eigentlich neben der Individualbeschwerde, die da aber kaum eine Bedeutung hatte, über den Artikel neunundachtzig B-VG gegangen ist, also ein Gerichtsantrag. Und ein Gericht, das sagt: "Ich kann eine Bestimmung eigentlich nicht verfassungskonform interpretieren" oder "Ich weiß mit der Bestimmung nichts anzufangen. Deswegen muss ich den VfGH fragen." Das ist eigentlich gerade im Zivilrecht relativ selten. Und beim Parteiantrag ist es anders. Da gehen die Parteien her und sagen: "Moment, das, was mir gegenüber angewendet wird -"
00:08:13,323 --> 00:08:13,573 [Thomas Rabl]
Ja.
00:08:13,573 --> 00:08:19,063 [Stefan Perner]
"-das ist doch eigentlich ein Witz. Das ist verfassungswidrig." Und damit ist der Weg für den Parteiantrag schon geebnet.
00:08:19,063 --> 00:08:22,984 [Thomas Rabl]
Ja, das ist, das ist natürlich-- Du hast schon etwas erwähnt, was natürlich
00:08:22,984 --> 00:09:09,864 [Thomas Rabl]
besonders interessant ist, natürlich die Ehe für alle und familienrechtliche, erbrechtliche Entscheidungen oder erbrechtliche Prüfungen sozusagen des Verfassungsgerichtshofs sind ja, sind bekannt. Aber das sind ja doch eher so ordnungspolitische Themen, ähm, im reinen Schuldrecht sozusagen. Dort, wo das-- Sozusagen, wo das - wie soll ich sagen - das Klavier des Zivilrechts besonders breit ist und viele Oktaven kennt. Ähm, ähm, da ist es natürlich, wie du es richtig sagst, in der Vergangenheit, ich glaube, da hat keiner daran gedacht überhaupt einen Artikel neunundachtzig Anregung irgendwie zu probieren, äh, weil, äh, weil wir ja - und darüber kommen wir dann auch noch ein wenig mehr zu sprechen - weil ja tatsächlich, ähm, vieles in dem, ja in diesem Bereich über das, was halt der Zeiller
00:09:09,864 --> 00:09:58,733 [Thomas Rabl]
1811 und so weiter gemeint hat, über das hinausgeht, ja? Ähm, aber noch ganz kurz, bevor wir auf diese, auf diese Fragen - auch zur Methode: Es ist tatsächlich so, dass, äh, dass ja der Prüfmaßstab des Verfassungsgerichtshof ein völlig anderer ist, als wenn ich, wenn der Oberste Gerichtshof über eine gewährleistungsrechtliche Frage entscheidet, ja? Ähm, wie sehr muss man da irgendwie umlernen, sozusagen als Zivilrechtler? Also ich möchte nur sagen, ich bin auch Anwalt. Ich habe auch schon Parteienanträge auf Namenkontrolle gemacht. Das macht man auch aus taktischen Gründen. Im Zivilrecht sozusagen ist, ist tatsächlich die Erfolgsquote eher, wie soll ich sagen, im einstelligen Prozentbereich zu suchen, glaube ich, ja, bis jetzt beim Verfassungsgerichtshof. Möglicherweise wird das jetzt anders werden, mal sehen. Aber, ähm, wie lernt man da in etwa um? Oder muss man da umlernen? Hast du da-- Du bist ja da ins kalte Wasser gestoßen.
00:09:58,733 --> 00:10:08,634 [Stefan Perner]
Würde sagen, ich lerne noch. Und ich werde hoffentlich auch noch dazulernen. Ähm, es ist genau, wie du sagst. Es sind natürlich teilweise ordnungspolitische Anliegen, die man auch im Zivilrecht findet. Da ist das Familienrecht natürlich ein gutes Beispiel dafür. Da gibt es auch andere Bereiche, mietrechtliche Bereiche beispielsweise und Fragen, wo man vielleicht auch mit Blick auf die Interpretationstechnik sich mehr rückbesinnen muss darauf, dass es eben ein ordnungspolitisches Anliegen ist und nicht jede privatrechtliche, nicht jede zivilrechtliche Frage ist jetzt wirklich eine Abwägung reiner Interessen zweier beteiligter Privater, wo man eben die, die Zweckrichtung und die Zweckargumentation in den Vordergrund rückt. Und das ist ja auch ein Quell dieser Methodendiskussion. Insofern, äh, finde ich diesen Ansatz, den man ja auch im Europarecht sieht, dass man sagt, das weichen diese Fächergrenzen ein bisschen mehr auf. Heute gerade hatte ich das Beispiel des Datenschutzes, das ja auch in alle Bereiche der Rechtsordnung ausstrahlt, aber trotzdem ein und dieselbe Fundierung hat. Das ist, glaube ich, ganz wichtig, dass man sich zurückbesinnt auf diese Fragen und dann vielleicht eben doch zu einem gemeinsamen Nenner kommt.
00:11:06,503 --> 00:11:30,044 [Thomas Rabl]
Ja. Nein, mir fällt nämlich-- Ich habe so darüber nachgedacht und da ist mir auch noch etwas eingefallen. Es hat etwa vor ein paar Jahren, ich weiß nicht, das ist jetzt schon was weiß ich was, fünf Jahre her oder sechs Jahre oder sieben Jahre her, diese eine, ähm, Entscheidung gegeben zur, ähm, zu den Aufgriffsrechten, äh, wo er zwischen, äh, der, der, der Patriarch der Gesellschaft, äh, verfügt hat, dass es nur Männer sein können. Dann hat aber der Oberste Gerichtshof also quasi aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen - nicht diskriminieren - müssen es auch Frauen sein, denen diese, diese Aufgriffsrechte. Also das ist ganz lustig, dass sie tatsächlich so was schon ein bisschen, dass dieses, dies-diese verfassungsrechtlichen Themen ja auch beim Obersten Gerichtshof immer wieder eine gewisse Rolle spielen. Ähm, und der Oberste Gerichtshof ja auch eben vor dem Parteienantrag auf Namenkontrolle - gut, die nicht betrifft, das betrifft die Berufungs- und Rekursgerichte, ähm, ja, immer sehr scheu war, wenn ich das so sagen darf, überhaupt selbst Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Weil ein Höchstgericht fragt offenbar ganz ungern ein anderes Höchstgericht um Rat, ja.
00:12:06,604 --> 00:12:47,744 [Stefan Perner]
Ich glaube aber, dass das ist, weil du es angesprochen hast, gerade die Aufgriffsrechte sind ein, ein sehr gutes Beispiel dafür, dass wir dieselbe Wurzel haben und dann aber doch ganz andere Interessen zu berücksichtigen sind. Weil wenn ich eine Diskriminierungsfrage im Verhältnis zwischen Staat und einzelnen Bürger, einzelner Bürgerinnen beurteile, ist das die eine Frage. Und die andere Frage ist natürlich, wenn es eine Diskriminierung im Verhältnis von Privaten - und da gehört das Gesellschaftsrecht eben dazu - ist. Wir hatten das ja auch im Versicherungsrecht bei der Frage der Geschlechterdiskriminierung durch verschiedene Tarifierung. Und dort ist eben immer auf der einen Seite der Aspekt der Diskriminierung und auf der anderen Seite aber eben, und das ist unser klassisches privatrechtliches Begründungsmuster, etwa die Privatautonomie, gerade die Freiheit zu entscheiden. Und die Freiheit zu entscheiden, die hat ja auch irgendwo in sich die Möglichkeit zu diskriminieren. Ich erinnere mich, ähm, weil du das angesprochen hast. Ich erinnere mich auch an den Fall, ähm, im Café Prückel,
00:13:02,214 --> 00:13:02,344 [Thomas Rabl]
Ja, ja.
00:13:02,344 --> 00:13:06,934 [Stefan Perner]
- als ein lesbisches Paar damals rausgeworfen wurde und es hieß "Um Gottes willen, Diskriminierung". Und ich kann mich erinnern, damals haben Journalisten angerufen und ich musste fast verschämt sagen: "Na ja, das ist eben das Privatrecht."
00:13:14,034 --> 00:13:14,094 [Thomas Rabl]
Ja. Ja.
00:13:14,094 --> 00:13:23,624 [Stefan Perner]
Also, ähm, wenn ihr mich morgen anruft, weil die Identitären rausgeworfen werden, müsste ja die Fragestellung gleich zu beantworten sein, unabhängig von der inhaltlichen Ausrichtung. Und ich glaube, daran sieht man sehr gut, es ist eben Teil der Privatautonomie, den anderen auch ausschließen zu können. Und das ist aber natürlich was vollkommen anderes im Verhältnis zwischen Staat und Bürgern. Und da sieht man es, glaube ich, wieder. Ein und dieselbe Frage, aber doch ganz verschiedene Facetten.
00:13:38,944 --> 00:13:51,584 [Thomas Rabl]
Ja, das ist sehr spannend, weil er ja grundsätzlich diese, sagen wir so, verfassungsrechtlichen Erwägungen in Zivilrecht typischerweise über die Generalklausel des 879 mehr oder weniger immer hineingeflossen ist, gerade wenn man im Schuldrecht ist. Aber dann, wenn gleichheitsrechtliche Erwägungen ist, gleich, sagen wir mal, Gerechtigkeitserwägungen. Das, das ist natürlich sehr unscharf gesagt, aber, aber werden dann sozusagen in das hineingebracht und -ich habe gerade gelesen, es gibt auch eine neue versicherungsrechtliche Entscheidung, habe ich da dem MANZ Jusguide entnommen, äh, äh, dass jetzt sozusagen eine Klausel weggefallen ist, dass zum Beispiel bei, äh, das tatsächlich bei Geschlechtsumwandlungen, ähm, äh, der Ausschluss, ähm, aus welchem Grund auch immer diskriminierend ist und medizinisch indizierte Geschlechtsumwandlungen auf jeden Fall von der privaten Krankenversicherung bezahlt werden müssen. Also es sind tatsächlich und das kommt und das sind ja letztlich alles auch solche ordnungspolitischen Fragen, die letztlich etwas zeitgeistig sind, wenn ich so sagen darf.
00:14:33,174 --> 00:15:35,984 [Stefan Perner]
Es kommt halt immer mehr hinein, äh, die dann halt auch ins Zivilrecht einfließen oder über den 879 3 oder 1 in dem Fall weiß ich jetzt ganz genau nicht genau. Also genau, konkret bei der krankenversicherungsrechtlichen Entscheidung, die du angesprochen hast, ist es quasi ein Ausfluss dieser berühmten Test der Schar Entscheidung zu den Geschlechtertarifierungen, wo der 1c VersVG eine besondere Rolle spielt und dort eben der Oberste Gerichtshof eigentlich davon ausgeht, sie im Senat sagt, das ist eine mittelbare Diskriminierung, weil das Argument des Versicherers war: "Na ja, also jeder ist von einer Geschlechtsumwandlung, von der Kostentragung ausgeschlossen. Insofern diskriminiere ich nicht nach dem Geschlecht." Und da sagt aber der Oberste Gerichtshof, glaube ich, ganz zu Recht: "Na ja, aber das ist gerade der Punkt, dass eben typischerweise nur bestimmte betroffen sind und genau die stigmatisierst du dadurch, dass du die Kosten nicht trägst." Aber, äh, ja, die Fälle und Felder der Entscheidungen, wo wir eben diese Schnittstelle haben und die wahrscheinlich in einem gewissen Ausmaß sowohl von zivilrechtlichen Höchstgerichten, aber dann auch vom Verfassungsgerichtshof tangiert werden könnten, das ist natürlich relativ breit.
00:15:35,984 --> 00:16:00,124 [Thomas Rabl]
Das ist breit und ich glaube, sie wird auch tatsächlich immer breiter, in meiner Wahrnehmung immer breiter, um es jetzt einmal so zu sagen, weil diese Themen wie halt, äh, diese Aufgriffsrechte bis hin zu diesen versicherungsrechtlichen Entscheidungen, das jetzt wahrscheinlich vor zwanzig Jahren, hätte das-- Kein Mensch irgendwie hätte sich damit befasst. Da hätte das oder beim Obersten Gerichtshof am Schmerlingplatz aufgegriffen, ja. Aber kommen wir noch kurz zum ABGB und zum Verfassungsrecht. Ähm,
00:16:00,124 --> 00:16:20,164 [Thomas Rabl]
ich frage mich, ich habe mich ja, ähm, also ich bin ja auch so ein-- Ich habe das Zivilrecht auch gewissermaßen, äh, aufgesogen als gläubiger, kleiner Assistent am Institut für Zivilrecht, noch vor vielen, vielen Jahren und habe an vieles geglaubt, was damals dort im vierten Stock des Juridicums auch tatsächlich verbreitet wurde.
00:16:20,164 --> 00:16:22,944 [Stefan Perner]
Bei mir war es der dritte Stock, aber sonst identisch.
00:16:22,944 --> 00:18:19,564 [Thomas Rabl]
Aber es ist natürlich jetzt im Laufe der Jahre oder Jahrzehnte wird man da irgendwie ein bisschen, wie soll ich sagen, ist man da nicht mehr ganz so gläubig und hinterfragt auch, ähm, große Werke von großen, äh, Juristen und Juristinnen. Ähm, und da ist mir immer wieder aufgefallen, dass das ABGB und wir brauchen jetzt nur uns an die Bydlinskische Methodenlehre und an diese Rechtsgrundsätze, sondern dass alles erinnern das ABGB, ja, und die Judikatur zum ABGB hat sich doch im Laufe der letzten zweihundert Jahre doch in gewissen Bereichen vom Wortlaut des Gesetzes entfernt. Also es sind wirklich grundlegende Fragen. Mir fällt da eins ein, äh, eben der gemeinsame Irrtum im Irrtumsrecht. Den gibt es nicht im ABGB, äh, aber den gibt es. Äh, also das wird jetzt in ständiger Rechtsprechung seit vielen Jahrzehnten judiziert oder auch die seinerzeitige Schadenersatzrechtsreform natürlich Ersatz der Reparaturkosten im Gewährleistungsrecht. Äh, das war bevor Schadenersatz und Gewährleistung gleichgeschaltet hat, hat's auch schon gegeben. Ähm, jetzt ist es schadenersatzrechtlich begründet. Das kann man auch verstehen. Früher war es aber auch so. Oder die, äh, Ausdehnung verschiedener Formvorschriften auf andere Rechtsgeschäfte. Der Gründer der ecolex, mein ehemaliger Chef, der Georg Wilhelm, hat sich darüber besonders ereifert, als im Jahr 1993, glaube ich, ähm, die Formvorschrift der Bürgschaft auf die Bankgarantie auch, äh, übertragen wurde. Und das hat ihn besonders irritiert und geärgert. Ähm, aber es wurde halt gemacht. Das ist ein klassischer Analogiefall gewesen. Und, ähm, je mehr man sich mit diesen Themen befasst und im Laufe der Jahre denkt man sich: "Na ja, bitte, wie das ABGB oder vieles im ABGB oder der Judikatur zum AG steht doch in einem gewissen Spannungsfeld zum verfassungsrechtlichen, zum Legalitätskonsens, also zum Artikel achtzehn im Wesentlichen. Weil die Rechtsprechung kann sich den Wortlaut also völlig, also manchmal den Wortlaut völlig ignorieren und interpretiert das irgendwie anders, aus welchen Gründen auch immer.
00:18:19,564 --> 00:18:24,424 [Thomas Rabl]
Siehst du da irgendwie auch so ein kommendes Schlachtfeld, oder, oder-
00:18:24,424 --> 00:18:25,834 [Stefan Perner]
Ja, also Schlachtfeld sicherlich.
00:18:25,834 --> 00:18:25,844 [Thomas Rabl]
Ja.
00:18:25,844 --> 00:19:29,568 [Stefan Perner]
Jetzt könnte ich es mir einfach machen und sagen, ich verweise auf die ganz ausgezeichnete Dissertation von Peter Gruber, Schüler von Martin Spitzer, der sich mit Grundrechten und Zivilrecht auseinandergesetzt hat, Verfassung und Zivilrecht auseinandergesetzt hat und dort auch--das Legalitätsprinzip und genau eben die Fragen, die du, die du skizziert hast, äh, sehr eingehend untersucht hat. Und ich glaube, ähm, man kann dem schon viel, viel entnehmen, nämlich dass es ein Schlachtfeld werden wird. Das mit Sicherheit. Da ist ja auch gerade dieser Umstand, dass die Parteien jetzt selbst kommen können von, von tragender Bedeutung. Weil das habe ich ja vorhin eben gerade gemeint. Die Gerichte würden nicht sagen, das ist zu unbestimmt, ich kann's nicht auslegen. Die würden natürlich immer eine Auslegung finden wollen. Aber die Partei, die unterlegen ist in erster Instanz, die tut sich natürlich leicht dazu zu sagen: "So, und jetzt schauen wir mal, ob's bestimmt genug war." Und für mich ist es eigentlich überzeugend, dass man dann zwei Aspekte differenziert, wo man sagt, das Legalitätsprinzip hat die demokratische, demokratiepolitische Funktion, die Rechtsstaat. Demokratiepolitischen
00:19:29,568 --> 00:20:19,628 [Stefan Perner]
kommen wir, glaube ich, noch leichter hinüber, wenn man sagt, der Gesetzgeber will eigentlich mit solchen unbestimmten Normen dem Richter, der Richterin mehr seinen Entscheidungsspielraum auch überlassen. Und das trifft sich mit dem, was Bydlinski auch in der Methodenlehre sagt, wo er meint, ja, also wenn die unabhängig, unversetzbar, unabsetzbar sind, dann müssen sie doch auch mehr können und muss ich ihnen doch mehr Vertrauen entgegenbringen als einem Verwaltungsbeamten, der das nicht ist. Insofern glaube ich, würde es demokratiepolitisch zusammenbringen. Aber du sprichst die rechtsstaatliche Funktion an, dass man weiß oder zumindest erahnen kann, was kommt denn auf mich zu, wenn ich es einklage? Und da gibt es Bestimmungen wie nach neunundsiebzig drei, die Klauselkontrolle ganz allgemein, glaube ich, wo man letztlich ein Zugeständnis machen muss und sagt, in gewissen Punkten geht es eben nicht anders.
00:20:19,628 --> 00:20:20,187 [Thomas Rabl]
Ja.
00:20:20,187 --> 00:21:03,956 [Stefan Perner]
Generalklausel, unbestimmter Gesetzesbegriff mit demonstrativer Aufzählung. Das ist so ein bisschen State of the Art und das funktioniert. Und dann gibt es eine Judikatur, die das Schritt für Schritt auch ausarbeitet. Aber natürlich gibt es Bestimmungen, äh, wo man auch zum Zweifeln beginnen kann. Und Gruber zeigt das zum Beispiel für den zweiunddreißig ... Kindesunterhalt, wo man im Wesentlichen keine Norm hat, die dann aber von den Gerichten auch ganz verschieden interpretiert wird und wo man dann oft auch unterinstanzliche, ganz verschiedene Entscheidungen hat, in vielen Punkten auch gar nicht beim OGH ist oder nicht zum OGH kommt. Und das sind Punkte, bei denen man beginnen könnte, glaube ich, in Zukunft auch mehr Entscheidungen zu sehen, wo das, wo das, äh...
00:21:03,956 --> 00:22:01,628 [Thomas Rabl]
Na ja, weil ich glaube schon, dass, dass, also das will ich nur allgemein so einen Gedanken zu diesen zivilrechtlichen Entwicklungen, gerade in diesen Bereichen - also gerade vielleicht nicht im Familienrecht und Unterhaltsrecht - aber sonst gerade eben, ähm, im Schuldrecht eben. Und wo halt, weiß nicht, sagen wir mal, das zentrale Gewährleistungsrecht, also das Gewährleistungsrecht seit neunzehnhundertsiebzehn, sage ich mal, dass sich so quasi bis in die, äh, ja, bis halt zu den Schadenersatz- und Gewährleistungsreform eigentlich nicht wirklich legistisch geändert hat, ja? Äh, ist natürlich jetzt in den letzten Jahren durch das, durch das ganze Verbraucherrecht und das Verbrauchergewährleistungsrecht und alle möglichen anderen konsumentenschutzpolitischen Maßnahmen, die die Europäische Union entlassen, äh, erlassen hat, doch ein wenig ein viel strengeres Korsett gewesen. Denkt, wenn ich das so sagen darf, formaler, geht an die Sachen formaler heran und weniger wertungsmäßig. Es ist eher so ein, ein Schnitt. Also da gibt es nicht, äh, das heißt, da ist wahrscheinlich die Annäherung an einen Artikel achtzehn mehr gegeben mittlerweile als er früher war-
00:22:01,628 --> 00:22:01,918 [Stefan Perner]
Ganz klar.
00:22:01,918 --> 00:22:41,028 [Thomas Rabl]
-während in anderen Bereichen, in anderen Bereichen man noch ein bisschen da im, wie soll ich sagen, im, im, äh, im Ungewissen bleibt. Ja, also das heißt, das wird wahrscheinlich das Europarecht wird das ein wenig, glaube ich, ein bisschen das Korsett-- also fast jetzt schon das Korsett im Schulddirekt, zumindest im Verbraucherrecht, sicher nicht im B2B Bereich natürlich viel fester. Ja, also das, das, das hat sich ergeben. Aber ich nehme an, dass auch sicherlich, äh, Bestimmungen des Verbraucherkreditgesetze, äh, Verbrauchergewährleistungsrechts, äh, an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden, wegen, ja, aus welchem Grund auch immer, in einer Unsachlichkeit im Zweifel, ähm, was natürlich europarechtlich wieder vorher determiniert ist, was bei dem Verfassungsgericht doch immer dieses Spannungsfeld ist.
00:22:41,028 --> 00:23:05,667 [Stefan Perner]
Ich erinnere mich auch, weil du es angesprochen hast, an eine Bestimmung im FAGG, die herangetragen wurde, als es damals darum gegangen ist, dass nicht aufgeklärt wurde über das Bestehen des Rücktrittsrechts und die Frage, inwiefern ich bereicherungsrechtlich Ersatz bekommen kann. Da hat man schon die ersten Ansätze gesehen, auch dieses Zusammenspiel, inwiefern ist es europarechtlich vordeterminiert und dann mit einer Prüfung entzogen? Wo habe ich noch Spielraum? Wie bestimmt muss es dann sein? Also es sind genau die Punkte, glaube ich.
00:23:05,668 --> 00:23:15,768 [Thomas Rabl]
Also ich glaube, dass das wird spannend, tatsächlich ein spannendes Feld werden. Aber, äh, Verbraucherrecht und Verfassungsgerichtshof vom - abschließend müssen wir doch zu einer Entscheidung kommen, die halt den Sommer...
00:23:15,768 --> 00:23:18,148 [Markus Schrom]
Das ist schon das Stichwort. Ich kann darauf warten.
00:23:18,148 --> 00:23:18,277 [Thomas Rabl]
Ja.
00:23:18,277 --> 00:23:18,908 [Markus Schrom]
Ich bin da auch schon...
00:23:18,908 --> 00:23:19,967 [Thomas Rabl]
Den Sommer dominiert.
00:23:19,967 --> 00:23:21,828 [Stefan Perner]
Ich hatte gehofft, die Zeit ist schon zu Ende.
00:23:21,828 --> 00:23:45,667 [Markus Schrom]
Nein, wir, wir, also wir hängen noch ein bisschen was dran. Ich sehe, so viel Zeit muss sein, um, um, um, um, doch dieses sehr spannende Thema doch noch kurz vielleicht aufzugreifen. Kurzes Stichwort Wertsicherungsklausel. Mehr braucht man, glaube ich, gar nicht sagen. Es wissen eh schon die meisten, worum es geht. Und, äh, und auch da, ich sehe es deinem durchaus neugierigen Blick und, und, äh an, Thomas, dass du schon auch hier dir die eine oder andere Frage dazu überlegt hast.
00:23:45,668 --> 00:24:11,487 [Thomas Rabl]
Na ja, Frage, es ist, es ist letztlich so, dass diese Wertsicherungsklausel-Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, wie sie genannt wird - wobei es hier tatsächlich nicht Wertsicherungsklausel gegangen ist im Verfassungsgerichtshof - sondern Paragraf sechs Absatz drei Ziffer vier KSchG, also die Anhebung sozusagen des Entgelts binnen zwei Monaten nach Vertragsabschluss, ob der Einzelne ausgehandelt ist oder nicht. Und diese Bestimmung
00:24:11,487 --> 00:24:31,197 [Thomas Rabl]
wurde in Prüfung gezogen vom Verfassungsgerichtshof aufgrund eines Parteienantrags und Normenkontrolle anlässlich eines Wertsicherungsklauselprozesses. So muss man das eigentlich sagen. Ähm, und, ähm, das, das war das eine. Der Verfassungsgerichtshof - vielleicht zur Vorgeschichte, weil die wissen eh, der Verfassungsgerichtshof hat das KSchG für nicht verfassungswidrig angesehen. Also zumindest diese Bestimmung des KSchG nicht.
00:24:31,197 --> 00:24:32,007 [Stefan Perner]
Surprise?
00:24:33,368 --> 00:27:23,871 [Thomas Rabl]
Das habe ich gesagt, das glaube ich, hätte auch keiner wissen nicht, ähm, wo da die Verfassungswidrigkeit drinnen liegen sollte. Ähm, aber soll so sein. Äh, der Verfassungsgerichtshof hat das aber nicht einfach, glaube ich, ab - dann könnte er es ja auch einfach abtun können. Hätte sagen - also, also ich habe schon öfter selbst das, als, als Selbstparteiantrag aufgenommen. Kontrollsteller habe- -ich so diese Abschlagbeschlüsse. Also da ist es aussichtslos, ja und zack, zwei Zeilen, äh, bekommen. Ähm, das hätte man da wahrscheinlich auch machen können. Aber natürlich ist es politisch so brisant, dieses Thema, dass der Verfassungsgerichtshof sich dazu äußern musste. Ähm, in der medialen Rezeption hat das ja dazu geführt, die leider Gottes falsch gelaufen ist - da brauchen wir mal wieder fragen, wie man das vielleicht bessern könnte, aus deiner Sicht als Verfassungsrichter - ist es ja so gekommen, dass, dass, dass das ja nicht nur von der ZIB 2 abwärts bis in allen sozialen Medien und, und, und Printmedien gesagt wurde: "Der Verfassungsgerichtshof hat gesagt, Wertsicherungsklauseln sind gültig." Ja, hat er nicht gesagt, aber, ähm, er hat sich auf etwas bezogen, nämlich auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Und jetzt komme ich zu dem, zu dem Knüller. Das war der Knüller des Sommers, die vom zehnten Senat des Obersten Gerichtshofs am 30. Juni diesen Jahres als nicht ständige Rechtsprechung bezeichnet wurde. Und der hat eben diese, ähm, Klauselkontrolle auf Basis des Sechs Absatz zwei Ziffer vier als-- also wie soll ich sagen, für Bestandverträge, also für Mietverträge - also, äh, unterscheidet zwischen kurzfristigen Bestandverträgen, was meines Erachtens untragbare Differenzierung ist und langfristigen Bestandverträgen. Aber dort hat er das einfach, ähm, hat da die Anwendung des Sechs Absatz zwei Ziffer vier auf diese typischen Mietverträge ausgeschlossen und zugleich gesagt - und das ist der wesentliche Punkt, das ist das Spannungsfeld zum Verfassungsgerichtshof: Der Verfassungsgerichtshof hat das in seinen Erkenntnis falsch gesehen, weil das ist gar keine ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gewesen, obwohl es da se-- drei oder vier, dreieinhalb, sagen wir so, Entscheidungen in diese Richtung gegeben hat. Und mittlerweile glaube ich, ich weiß nicht, ich übertreibe, glaube ich, nicht mehrere zehntausend, äh, Verfahren vor den Bezirksgerichten Österreichs, wo alle ihre, ihren Mietzins zurückfordern, teilweise als Verbandskläger, teilweise nicht als Verbandskläger, aber Sammelkläger, was auch immer. Ähm, und da hat der oberste Gerichtshof im, Ende Juni gesagt: "Nein", also der zehnte Senat hat es gesagt, dass nicht der oberste Gerichtshof, sondern nur der zehnte Senat, dass das eben nicht so sei. Und da tut sich dieses Spannungsfeld zwischen den zweiten Höchstgerichten, gerade im Verfassungsrecht besonders auf. Der Verfassungsgerichtshof hat etwas gemacht, er hat seiner Ansicht nach ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Prüfung zugrunde gelegt. Im Ergebnis war's dann auch wurscht, muss man sagen jetzt. Der oberste Gerichtshof sagt aber jetzt: "Na, der hat das falsch gesehen". Er hat sogar Fehlzitate verwendet, der Oberste-- äh, der Verfassungsgerichtshof.
00:27:23,871 --> 00:27:44,331 [Thomas Rabl]
Wie geht man damit um als Verfassungsrichter? Beziehungsweise wie geht der Verfassungsgerichts-- sogar mit so etwas um? Weil es kann ja wohl nicht, also wir sind ja so als rechtsunterworfener Staatsbürger ist das doch eine eigenartige Situation, dass ein Höchstgericht so sagt und ein anderes Höchstgericht es einfach anders sagt und den anderen Höchstgericht auch noch ausrichtet, dass es einfach falsch gesehen hat.
00:27:44,331 --> 00:29:26,952 [Stefan Perner]
Ja, du sprichst den Dialog der Höchstgerichte an. Ich tu mir, was die Verfassungsgerichtshofentscheidung betrifft, insofern jetzt auch aus Transparenzgründen leicht, als ich bei der konkreten Entscheidung nicht beteiligt war. Bei uns ist es eben so, dass wenn ein Fall bereits im Fachjargon heißt es "anberaten" wurde, also wenn schon darüber diskutiert wurde, man später, auch wenn man dann Teil des Gremiums ist, nicht mehr Teil dieser Entscheidung wird, sondern eben ausgeschlossen bleibt und dann ist ein Ersatzmitglied an die, an die Stelle des Richters zu treten. Das war in meinem Fall so. Äh, aber wie du richtig gesagt hast, ich meine, erwartet hat man, glaube ich, in der breiten Fachöffentlichkeit von der VfGH-Entscheidung nicht viel anderes, weil die Frage und auch das hast du ja schon gesagt: Die Frage, die dem VfGH gestellt wurde, war ja nur: "Ist Sechs Absatz zwei Ziffer vier verfassungswidrig?" Und eine Regelung, die eine kurzfristige Preiserhöhung innerhalb der ersten zwei Monate bei Ziel- oder Dauerschuldverhältnissen ausschließt, ist natürlich als solche nicht verfassungswidrig. Da, glaube ich, plaudert man auch gar nicht aus dem Nähkästchen, sondern das hatte niemand erwartet. Sprengkraft hat die ganze Judikatur des Obersten Gerichtshofs, wie du auch gesagt hast, aufgrund der unglaublichen wirtschaftlichen Bedeutung gehabt. Man muss sich immer nur diesen einen Fall vor Augen führen, der für Banken, Versicherungen, institutionelle Vermieter natürlich ein Graus ist. Der 2005 abgeschlossene Mietvertrag enthält eine, wie sich dann herausstellt, unwirksame Wertsicherungsvereinbarung. Zwanzig Jahre später ist der Mietzins immer noch derselbe wie 2005. Alle Inflationsanpassungen fallen proprie- proprietär dort weg und für die Zukunft ist eine Anpassung nicht möglich und im MRG auch eine Kündigung- Eingefroren. Hm-hm.
00:29:26,952 --> 00:31:02,591 [Thomas Rabl]
Also, das ist natürlich ein Super-Gau, der hätte mit Milliardenverlusten in der Immobilienwirtschaft erhebliche Konsequenzen gehabt und deswegen auch diese mediale Aufmerksamkeit. Die hat sich dann, ich glaube, das war einfach eine Frage des zufälligen Timings, auf die VfGH-Entscheidung gerichtet, weil natürlich viele darin den letzten Strohhalm gesehen hatten und die gesagt haben: "Ja, Moment, das kann doch nicht sein, dass genau das passiert, was ich jetzt gerade skizziert habe." Und der VfGH sagt aber, Sechs Absatz zwei Ziffer vier ist verfassungskonform. Und Anfang des Sommers war einfach, glaube ich, medial auch Platz dafür. Dann ist diese Debatte wieder hochgekocht, die auch irgendwie so ein bisschen in einem Schwelbrand über zwei Jahre sich befunden hat. Und genau dort kam dann die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, der, ich glaube, da ist sich die Fachöffentlichkeit einig, seine Rechtsprechung natürlich in gewisser Weise angepasst hat. Du hast auch das schon angesprochen. Es wurden Revisionen zurückgewiesen, mit dem Argument, dass die Anwendung des Sechs zwei auf Dauerschuldverhältnisse ohnehin unbestritten sei. Und jetzt wird das Gegenteil gesagt. Aber ich glaube, ähm, da, da richtet man natürlich sich wechselseitig nichts aus. Jedenfalls da der VfGH dem Obersten Gerichtshof nichts-- Es ist eine Judikatur, die, glaube ich, allgemein jetzt als sachgerecht empfunden wird, was ja vom Ergebnis her gedacht sicherlich gut ist. Und was ich jetzt aus Perspektive des VfGH sagen kann, natürlich jetzt nicht für den VfGH, aber ich glaube, das, was man in den letzten Jahren immer gesehen hat, wenn man sich die Entscheidungen ansieht und auch das, glaube ich, war ganz wichtig, dass du's angesprochen hast: Eigentlich ist es im Dialog der Höchstgerichte so, dass der VfGH die zivilrechtliche Auslegung des OGH zugrunde legt.
00:31:02,822 --> 00:31:29,442 [Stefan Perner]
Und nicht selbst ein Ersatz-Zivilgericht ist und schon gar nicht das höherrangige Zivilgericht, sondern einfach eine Entscheidung nimmt. Eine Auslegung im konkreten Fall sechs zwei vier und sagt so, und in dieser Variante, das ist ja auch die Brücke zum Artikel achtzehn. In dieser Variante halte ich die ausgelegte Bestimmung für verfassungswidrig oder eben verfassungskonform. Und ich will nur so viel sagen Ich halte diese Vorgehensweise einmal grundsätzlich für sachgerecht.
00:31:29,442 --> 00:32:50,522 [Thomas Rabl]
Ja, ja. Die Vorgehensweise, was mich immer etwas irritiert, ist ja tatsächlich die Vorgehensweise des Obersten Gerichtshofs, also weniger des Verfassungsgerichtshof, weil der eben letztlich sehr behutsam, wenn ich so sagen darf, die Judikatur des Obersten Gerichtshofs rezipiert und diese trotz so vielleicht im Konsumentenschutzrecht recht einfachen Interpretation, weil ich meine, das ist ja, also da braucht man nicht viel um sechs Absatz zwei Ziffer vier heruminterpretieren. Da gibt es kann, obwohl das Oberste Gericht sagt, das mit teleologisch macht, das ist alles. Ja, wer soll ich sein? Also Bydlinski hätte sich nicht gefreut, das zu lesen, glaube ich. Aber aber vielleicht mir ist nämlich noch ein zweiter Fall beim Gespräch jetzt eingefallen Ist Es gibt ein Thema auch bei der Preisänderung im Energierechtsbereich, wo der oberste Gerichtshof jetzt vor kurzem gesagt hat, dass der Paragraph 80 Absatz zwei a kein gesetzliches Recht, kein gesetzliches Preisänderungsrecht. Der oberste Gerichtshof hat aber im Rahmen seiner Grundversorgung der Verfassungsgerichtshof im Rahmen seiner Grundversorgungsentscheidung aber schon so gesagt. Also jetzt angedeutet, dass es ein gesetzliches Preisänderungsrecht ist. Der oberste Gericht sagt das gesetzliches Preisrechts. Also man sieht da immer wieder ein Spannungsfeld und zwischen den beiden Höchstgerichten, dass ich tatsächlich nicht für wahnsinnig geschickt konstruiert halte.
00:32:50,522 --> 00:34:12,342 [Stefan Perner]
Genau das ist ein Punkt. Du nimmst mir quasi eigentlich die Worte aus dem Mund. Geschickt konstruiert. Das ist eben der Aspekt. Ich glaube, auf Basis der jetzigen Verteilung innerhalb der Höchstgerichte geht es fast gar nicht anders. Ich habe auch Entscheidungen in Erinnerung, wo das eine Höchstgericht sagt, etwas sei beispielsweise bei ausgegliederten Rechtsträgern eine Verordnung und das andere sagt, etwas seien allgemeine Geschäftsbedingungen. Lustigerweise Das Zivilgericht sagt oft, es ist eine Verordnung der VwGH, sondern es sind AGB. Und da kommt man auch nicht umhin, weil eben jeder seine eigene Beurteilung wahrnehmen muss. Und bei der Wertsicherung, weil du es angesprochen hast ja, ich. Ich habe es natürlich auch so verstanden, dass es eine Frage ist, die man jetzt an den OGH richtet und beim OGH. Wie gesagt, würde ich nur wiederholen, was ich vorhin gesagt habe. Vom Ergebnis her gedacht, glaube ich, ist das eine sachgerechte Entscheidung. Und deswegen tue ich mir habe mir auch in der Diskussion mit Kolleginnen und Kollegen eigentlich schwer getan zu sagen Jetzt ist es die Entscheidung des zehnten Senates, wo wir sagen, wir sind eigentlich einverstanden mit dem Ergebnis, aber uns passt vielleicht die eine oder andere Formulierung nicht. Ich würde eher so sagen Ich bin froh, dass die vorige Judikatur korrigiert wurde. Nein, nein, das kann man, das kann man, glaube ich, durchaus sagen. Ich meine. Wobei man eben das vielleicht noch abschließend sagen sollte
00:34:12,342 --> 00:34:15,702 [Stefan Perner]
Man kann nur hoffen, dass die politischen Bemühungen da auch eine sachgerechte Lösung weil das betrifft ja tatsächlich vier eine halbe Millionen Menschen in Österreich. Also dass das da auch dass das auch geregelt wird, weil das ist, glaube ich, nicht wahnsinnig. Auch dem Rechtsstaat und dem Glauben an den Rechtsstaat nicht zuträglich, wenn Höchstgerichte sich wechselseitig jetzt was ausrichten und das. Das Thema ist noch nicht. Das Thema ist glaube ich, noch nicht.
00:34:36,302 --> 00:34:39,081 [Markus Schrom]
Gegessen, noch nicht ganz, ganz durch, vermute ich einmal.
00:34:39,081 --> 00:35:09,362 [Thomas Rabl]
Man kann man kann hoffen, dass es dann, dass es auch passiert. Aber natürlich. Aber das ist schon. Ich sehe das halt immer wieder, dass. Und wie du sagst, das ist ja ganz lustig, wie der OGH sagt, sieht manches als Verordnung und Verfassung als als, ähm, als allgemeine Geschäftsbedingungen, was ein bisschen so als eine Arbeitsverweigerung sagt. Oder eine sagt Verordnungen prüfen und AGB interessiere mich nicht, aber aber soll so sein. Aber aber das ist das ist, glaube ich, im Menschlichen, äh, der dort handelnden Personen auch gegründet. Ja, ähm, ich glaube, damit wären wir.
00:35:09,362 --> 00:35:46,602 [Markus Schrom]
Wir haben das, was man noch über das, was wir noch sprechen wollten, haben wir tatsächlich noch schön anhängen können. Gott sei Dank. Das war doch noch mal ein wirklich sehr interessantes Thema hier zum Abschluss. Äh, lieber Stefan, vielen Dank, dass du. Dass du da warst. Dass du uns auch ein bisschen mitgenommen hast auf deine Reise zum VfGH. Und ein bisschen auch ein bisschen was, äh, erklärt hast. Ein paar Insights und auch wie es dazu kommt. Äh, und auch dieses Spannungsverhältnis, äh, Methodenlehre etc., dass wir hier einiges auch erfahren durften. Und ja, Thomas, wie immer, der Schlusswort ist bei dir.
00:35:46,602 --> 00:36:25,862 [Thomas Rabl]
Und deswegen also lieber Stefan. Auch von mir vielen Dank, dass du da warst. Ich wünsche dir tatsächlich persönlich viel Vergnügen und viel Erfolg und, äh, viel, äh, interessante Arbeit beim Verfassungsgericht. Ich bin davon überzeugt, dass die dort auf dich wartet oder bis jetzt. Oder die ist schon bei dir. Also das, das, das. Aber in den nächsten Jahrzehnten wird sich noch. Das wird sich noch vieles auch wertungstechnisch beim Verfassungsgericht wahrscheinlich ändern. Aber das wird sicherlich interessant sein zu folgen. Herzlichen Dank, dass du da bist. Ähm, ja. Und in diesem Sinne, wir hören uns zu Recht.